DER KELTISCHE BARDE

JOHN TRELEAVEN IN DER RING-TETRALOGIE.

Eine der größten Überraschungen der diesjährigen RING-PRODUKTION im Palast der Künste u.L. von Adam Fischer war JOHN TRELEAVEN, der keltische Barde.

Dem Heldentenor der führenden Musiktheater der Welt gelang es wie durch Zauber, die Atmosphäre der uralten Legenden zu vergegenwärtigen. Der Künstler in der Titelrolle vom Siegfried konnte gleich im 1. Auftritt mit dem brillianten hohen C den würdigen Auftakt einer nicht alltäglichen Vorstellung unterstreichen. Dem über Wagnersingen kursierenden IRRGLAUBEN zum Trotz überraschte der Tenor mit tadellosem Legato. Kein Zufall: In den Jugendjahren studierte er in Neapel, der Wiege der Oper und des Belcanto, unter Meister Campanino. Des Belcanto und deutschen Liedes wertvollste Tradition syntetitisierender Künstler beeindruckte sowohl mit großer Ausstrahlung als auch sportlicher Erscheinung. Sein Repertoire umfaßt über hundert unterschiedliche Rollen. Zurecht bietet sich der Vergleich an mit Placido Domingo, mit dem er in Covent Garden die Titelrollen der Tetralogie teilte unter Antonio Pappano und Keith Warner.

Der Weg vom Cornwallschen Fischerdorf bis heute war sehr lang.
Sein Vater ebenso wie sein Lieblingsheld, Peter Grimes, verdiente seinen Lebensunterhalt mit Fischerei. Dem jungen Treleaven, der sich instinktiv von der Musikwelt angezogen fühlte, blieb die Laufbahn des Sängers zuerst vorenthalten.
Er sang im Chor, später als Zehnjähriger versuchte er als Hornist seine Flügel zu entfalten. Nach Abschluss der Schule arbeitete er als Beamter bei der Königlichen Flotte.

Sein Alltag wurde von der Liebe zum Sport,Gesang und Lesen geprägt. Am liebsten sang er beim Schwimmen, bis eines Tages Majorie Fogg, eine Klavierkünstlerin, auf seine Stimme aufmerksam wurde.

Treleaven erinnert sich: „Grade bei meiner Lieblingsbeschäftigung, ist meine Zeit gekommen. Öfters, als ich Solo singen sollte, memorierte ich während des Schwimmens. Damals glaubte ich ,mein ganzes Leben in Cornwall verbringen zu müssen,doch es kam anders. Die Bekanntschaft mit der bewunderswerten Klavierkünstlerin war für mich entscheidend. Ich habe zuerst die Briefarie von Tosca mit ihrer Hilfe einstudiert; meine Eltern haben es mit große Skepsis aufgenommen.“

Von da an führte ein grader Weg in die London College of Music. Sein Meister wurde William Lloyd Webber, Direktor des Instituts und Vater vom Andrew Lloyd Webber, dem genialen Musical Komponisten. John Treleaven bemühte sich, seine Gesangskunst weiter zu entwickeln. In Neapel fand er die entsprechende Schule.

Der in London, später in Deutschland sesshaft gewordene Tenor, der seine keltische Identität bewahren konnte, baute seine Laufbahn sehr zielbewusst auf durch kleinere Nebenrollen kontinuerlich bis zu den Hauptrollen hin.

„In meinem ganzen Leben habe ich darauf gewartet, mein ganzes heutiges Repertoire singen zu können. Bei der Bewältigung solch gigantischer Aufgaben kann jede voreilige Selbstüberschätzung schicksalshaft und gefährlich werden.“

Der Durchbruch erfolgte in Mitte der siebziger Jahre in England mit Don José als Mitglied der English National Opera. 1979 erster Auftritt in Covent Garden.

Namhafte Tonstudios sind auf seine Stimme aufmerksam geworden. Zuerst in kleineren Rollen wie der Bote in Troubadur, Soldat in Meyerbers Prophet, Straßensänger in Puccinis Mantel, Candide von Bernstein, mehreren Rollen- neben Weltstars wie Ricciarelli,Carreras,Scotto,Horne,MCracen,Domingo,Gedda.
Am meisten aber stand er als Bajazzos Canio auf der Bühne. Den eifersüchtigen Komödianten gestaltete er in etwa achtzig Produktionen. Er wurde auch als Tamino, Nadir, Don Carlos, Herzog von Rusalka, Radames,
Cavaradossi, Dick Johnson, Kalaf, Oedipus (Strawinskij) gefeiert.

Seine Lebenspartnerin und Ehefrau fand Treleaven in Roxane Folley, einer seitdem zurückgezogenen süd-afrikanischen Koloratursopranin. Sie haben zwei gemeinsame Kinder. Der große Wendepunkt kam 1991. Der Tenor entschied sich in Deutschland niederzulassen. Er stand zuerst in Mainz unter Vertrag. Diese Zeit wurde vom intensiven Studium geprägt. Seine große Rollen wurden unter Aufsicht solcher Etalons wie James King und Jean Cox einstudiert. Seitdem aber sang er beinahe alle Wagner Tenorrollen vom Holländers Erik bis zum Parsifal. Ausnahme ist Rienzi. Das Gebet des römischen Volkstribuns ist extra in der Einspielung von Oehms Classic Wagnerporträt zu hören.

In Treleavens Wagner Discographie gibt es drei Tristan Einspielungen. Eine ganze CD unter Donald Runnicles, einen zweiten Akt mit Claudio Abbado und eine vollständige DVD einer Aufführung in Barcellona, mit Deborah Polaski unter Bertrand de Billys musikalischer Leitung,Regie Alfred Kirschner.

Eine andere Einspielung der Tetralogie gibt es, auch von Barcelona mit dem obengenannten Trio Polaski, Treleaven, De Billy in der Regie mit Harry Kupfer. Aber auch der Ring-Querschnitt CD Arte Nova Classics. Im Geite wurde für den keltischen Tenor zum beachtenswerten Erfolg.

Parsifal, der Schlussakkord des wagnerschen Lebenswerks, kam voriges Jahr ins Repertoire des Tenors.
Auf dem Festival in österreichischen Wels gestaltete er das erste Mal die Titelrolle. Die Mitdarsteller waren die mit Kundry debutierende Nadine Secunde, Alan Titus, Hans Sotin.
Die stimmliche und physische Kondition sind unentbehrliche Voraussetzung an für den mehrstündigen Aufenthalt und die kräftezährende Bereitschaft auf der Bühne. Um solche gigantischen Aufgaben lösen zu können, muß man über große Selbsterkenntnisse verfügen und sich sowohl stimmlich als auch mental aufbauen, sonst gewinnt die Rolle überhand und der Sänger wird angespuckt.
Diesbezüglich sah man schon viele bedauernswerte Beispiele.
„Zu Bewahrung und Weiteraufbau meiner Kondition arbeite ich dreimal pro Woche mit Kraftgeräten,betreibe Gewichtheben.“

Die Frau des Künstlers fügte hinzu. „Im Geiste bist du immer noch ein Kind---lachst unentwegt, machst Unfug und Witze.“ Der beste Beweis für diese Veranlagung des keltischen Tenors aus Cornwall,war die missgeratene Nachahmung des Vogelgesangs im zweiten Akt von Siegfried,in dem die allgemeine Erheiterung zum stürmischen Beifall ausuferte.
Siegfried ist im Konzept, ein unbekümmerterter junger Mann, der niemals zurückschaut. Die Gestaltung dieses abgrundtiefen Charakters, jenseits von vierzig, ist eine Peter- Pan’sche Aufgabe.

Die Hauptschwierigkeit ist die Darstellung der Naivität des Helden. Siegfried ist kein dummes Kind, vielmehr ist bewunderswert all das, was er durch seine natürlichen Instinkte und Sensibilität erreicht hat.
„Ich bin zwar kein Kind mehr, dennoch ist Siegfried für uns alle eine wunderbare Möglichkeit, um das verborgene Kind in uns zu entdecken.“

Der Ring in dem Palast der Künste in Budapest, wurde ihm ein unvergessliches Erlebnis.
Der Sänger betonte: „Mit diesem Besuch wurde ein alter Traum von mir erfüllt.
Über die Schönheit der ungarischen Hauptstadt habe ich als Kind zwar viel gelesen, doch die Wirklichkeit habe ich erst in der vorigen Woche erfahren, und wurde nicht enttäuscht. Auch in künstlerischer Hinsicht bin ich reicher geworden.“

Adam Fischers Wagner Projekt ist faszinierende Verwirklichung des epochalen Lebenswerks. Das meisterhaft geführte Orchester spielte wunderbar. Die Akustik des Budapester Konzertsaals war bemerkenswert.
„Ich hoffe aufrichtig, dass ich eines Tages erneut fürs Budapester Publikum singen darf.“

Der diesjährige Sommer brachte John Treleaven Verdis Otello, die Traumrolle seines Lebens. Die Proben für das Festival von Eutin sind schon im Gange. „Auf diese Herausforderung habe ich schon sehr lange gewartet, die traf mich in der richtiger Zeitqualität meiner Laufbahn. Die Darstellung des tragischen Helden von Shakespeare verlangt große stimmliche und mentale Reife. Durch sein Geschick kann ich ein großes Spektrum menschlicher Gefühle und Regungen zum Ausdruck bringen. Mit großer und erwartungsvoller Aufregung bereite ich mich auf die Aufgabe und Vorstellungsserie vor.“

PETERFI NAGY LASZLO

ORIGINAL KRITIK

Der Ring in vokaler und darstellerischer Hinsicht konzentriert sich auf drei Hauptdarsteller, Brünnhilde, Wotan und Siegfried.
Der diesjährige Zyklus hatte zwei ideale Brünnhilde, Linda Watson und Irene Theorin, und einen völlig neue Wegesuchenden und entdeckenden Siegfried.
In den Titelrollen war Irene Theorins Partner John Treleaven, mit dem sie schon in Covent Garden Siegfrieds Liebespaar gesungen hatte unter Keith Warner und Antonio Pappano. Treleavens Darstellung wirkte mit der Kraft der Relevation, allem über Wagnersingen kursierende Irrglauben zum Trotz. Er überraschte mit tadellosem Legato. Der im Belcanto und deutschem Lied gut erfahrene Künstler schuf eine Atmosphäre altgermanischer Mythologie, in unnachahmlicher Schönheit. Treleavens Bühnenausstrahlung ist beispielhaft.

LASZLO NAGY: